Mittlerweile ist Digitalisierung ein wichtiger Pfeiler für das Museum der Zukunft. Nur wohin wird die Reise gehen? Die Pandemie hat ein disruptives Potential entfaltet, das viel Neues in Gang gebracht hat. Erkennbar sind zwei Stoßrichtungen mit stark unterschiedlichen Anforderungen.

Auf der einen Seite steht die Digitalisierung der Museumssammlungen, die sämtliche Herausforderungen von Big Data beinhaltet: Die Beherrschung großer Datenmengen bzw. die Reduktion auf das Beherrschbare, die dauerhafte Sicherung einschließlich der Vorbereitung für zukünftige Datenmigrationen und nicht zuletzt eine absolut wasserdichte IT-Sicherheit bei gleichzeitigem open access. Dazu die Verankerung von Standards für die professionelle Nutzung dieser Bestände durch Verschlagwortung und Hypertextualisierung. Bereits seit 2008 macht sich die Dänische Nationalgalerie dazu ausführliche Gedanken, die auch transparent dokumentiert werden. Zur Umsetzung der Datenstrategie sind jedenfalls leistungsfähige IT-Dienstleister gefragt, bei denen die Museen die komplette Hoheit über die eigenen Inhalte – letztlich die der Allgemeinheit – behalten. Dies steht im Kontrast zu verführerischen Angeboten der amerikanischen Tech Giants, die mit den eigenen Daten langfristig teuer bezahlt werden.

Was die IT-Riesen können, ist zweifelsohne eine direkte, wenn auch algorithmengesteurte Verknüpfung mit dem digitalen User. Und genau an diesem Punkt stehen diejenigen Museen, die autonom und gemeinwirtschaftlich agieren wollen, vor ihrer zweiten großen Herausforderung: bei der Schaffung spannender und ansprechender digitaler Angebote für ihre Nutzer*innen. Grob strukturiert sind das

  • Erweiterungen des Museumserlebnisses vor Ort durch digitale Tools und Helferleins,
  • die Verankerung des Museums als leicht erreichbare Anlaufstelle und Kompetenzzentrum für sein ganz spezifisches Thema in einer globalen virtuellen Welt
  • das Einbeziehen vielfältigster Gruppen der Gesellschaft mitsamt ihrem Wissen, Ansichten und Engagement im Rahmen eines Digital Outreach.
  • Und schließlich schlaue Kombinationen der vorgenannten drei Punkte. Dazu gehören auch neue hybride Formate zur Interaktion von Menschen vor Ort und online.

Erreicht werden kann dies nicht allein durch eine Erweiterung der museumsinternen digital literacy im engeren Sinne – also das Wissen um den Umgang mit den verschiedensten digitalen Formaten und Plattformen.  Dazu kommt jedenfalls das Erlernen neuer Erzählstrategien und Ästhetiken, die bis dato gar nichts mit dem Museum zu tun hatten. In weiterer Konsequenz verändert die digitale Transformation die Struktur der Kooperationspartner und nicht zuletzt den Aufbau, die Kompetenzen und die Verantwortlichkeiten in der Organisation selbst.

Das Verbundprojekt museum4punkt0, an dem mehr als zwei Dutzend führende deutsche Museen und Museumstiftungen teilnehmen, hat in seiner Werkschau am 24.06.2022 im Haus Bastian eine eindrucksvolle Vielfalt an Vermittlungsprojekten aus all diesen Kategorien gezeigt: Das Projekt Aufgeschlagen (Klassik Stiftung Weimar) ermöglicht im Ambiente des historischen Bibliotheksraum der Herzogin Amalia Bibliothek das virtuelle Schmökern im sonst unzugänglichen historischen Buchbestandes per App. Mit vimuki (Historisches Museum Saar/Museum Speyer) kann eine Schulklasse eine virtuelle Führung begleitet von einer Museumspädagogin, die sich vor Ort im Museum befindet, buchen. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein Lockdown-Surrogat für den lokalen Museumsbesuch, bekommt bei globaler Betrachtung neue Dimensionen. Mit ein paar Klicks können Schüler*innen – passend zum Lehrplan – eine virtuelle Exkursion in ein weit entferntes Museen machen. Bei aller Euphorie sollte man dabei aber nicht übersehen, dass dies schon seit längerem von verschiedenen Museen in den USA und Großbritannien praktiziert wird. Das badische Landesmuseum erarbeitet mit creative museum ein originäres Social Network, das zur Co-Kreation einlädt. Dabei liegt die wohl größte Herausforderung darin, eine kritische Anzahl von Nutzer:innen zu gewinnen. Leipzig 89 – Revolution reloaded ist der Prototyp des Deutschen Historischen Museums für eine game station, die die Ästhetik der graphic novel und die Erzählweise des Rollenspiels aufgreift. Eine Nutzung von zu Hause aus ist in Planung. Ob andere Ansätze wie eine Ausstellungsdigitalisierung als düsteres Fantasy Game oder das Profiling des Museumsbesuchers vor dem Ausstellungsbesuch zukunftsfähig sind, wird sich weisen.

Wesentlich für den Erfolg digitaler Angebote wird jedenfalls die ästhetische und technische Anschlussfähigkeit – insbesondere an das digitale Nutzungsverhalten der Besucher*innen – sein. Ob man ihnen das Herunterladen einer originären App für eine einzige Anwendung vor Ort zumutet oder ob alles ganz easy browserbasiert – am besten noch mit Einstieg per QR-Code – laufen soll, ist nur eine Facette dieser Fragestellung. Eine genaue Kenntnis der digital literacy der virtuellen (Neu-)Besucher*innen rückt damit auch bei der Gestaltung in den Vordergrund. Erst wenn dem/der Nutzer*in der Einstieg gelingt und die Angebote angenommen werden, kann ein Museum ganz sachte versuchen, die Limits zu pushen und damit möglichst spielerisch einen eigenen Beitrag zur Digitalkompetenz zu leisten. Aufgrund überlappender Profile und Aufgaben ist damit zu rechnen, dass die Grenzen zwischen Kurator*innen, Öffentlichkeitsarbeiter*innen, Social Media Expert*innen und Community Manager*innen künftig verschwimmen werden.

Welche Stränge der digitalen Entwicklung sind in Euren Museen wichtig, was wollt ihr noch entwickeln, was steckt fest, was wird angenommen, was nicht und was hat sich sogar schon als obsolet erwiesen? Diskutiere mit uns bei unserer Digital Literacy Focus Group am 20. September 2022, online von 16:00 bis 19:00, zu der wir die Digital Literacy Expertin Verónica Donoso eingeladen haben. Kostenfreie Anmeldung und Teilnahmelinks unter team@museumhub.de.