Aktionen, bei denen sich Klimaktivist*innen in Museen an Wände, Bilderrahmen und Absperrungen kleben und Gemälde mit Lebensmitteln und Farbe überschütten, fluten gerade Zeitungen und Medien weltweit. Und so sehr wir Museumsaficionados davon entsetzt sind, zeigt sich an den Vorfällen doch eines:

Das Museum ist relevant

Es ist ein Ort, der wahrgenommen wird. Und Kunst als Wert wird sogar von denen verteidigt, die sie womöglich nicht einmal aus eigener Anschauung kennen. Der Aufschrei in der Gesellschaft ist nämlich so laut, dass er wohl auch von der überwiegenden Mehrheit kommen muss, die überhaupt nie ins Museum geht. Das Museum ist weltweit wieder in den Schlagzeilen präsent, wenn nicht sogar mehr denn je zuvor. Es wird plötzlich zu einem Ort, an dem die wohl dringendste ökologische und gesellschaftspolitische Frage überhaupt verhandelt wird: der Klimawandel.

Einzig und allein: Die Aufmerksamkeit kommt nicht von jenen, die daran arbeiten, das Museum und seine Sammlungen in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Die Aufmerksamkeit erregen diejenigen, die mit großer Vehemenz und Lautstärke eindringen. An den kontemplativen Ort, der durch Ruhe, Konservierung und Musealiserung – allen Bemühungen der Öffnung zum Trotz – der Welt ein Stück entrückt sein will.

Die Bezugslosigkeit

Das Element, das die Aktion zum Aufreger macht, ist die scheinbare Bezugslosigkeit. Was hat das friedliche Museum denn mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe zu tun? Die Form des Protests scheint überzogen, aber gerade darin liegt die Aussage. Wie die Wiener Kolumnistin Isolde Charim feststellte: Für die Größe des Problems gibt es keinen adäquaten Protest, also bekommt die Gesellschaft ein vollkommen inadäquaten. Die Protestierenden stehen damit in der Tradition des Dada, die vor 100 Jahren mit Sinnlosigkeit auf eine Welt reagierte, die aus den Fugen geraten war. Und mit dieser (Nicht-)Aussage erschöpfen sich die Bezüge noch lange nicht. Bei den Protestierenden handelt es sich eben nicht um Unwissende, Banausen oder schlichtweg Idioten.

Am 15. November 2022 kam es zu einer Aktion, bei der zwei Aktivisten das Schutzglas vor dem Bild “Tod und Leben” im Wiener Leopoldmuseum schwarz überschütteten. Ein Aktivist wurde von einem Wärter festgehalten, der andere klebte sich am Schutzglas fest. Dabei wurden Bezüge in verschiedenster Form wirksam. Ins Museum kamen die Aktivisten dank des freien Eintritts, gesponsert von einem Mineralölkonzern. Die Flüssigkeit, die wie schwarzes Öl über ein Werk floss, das die existentielle Konfrontation von Tod und Leben zeigt, soll auf die Zerstörung durch fossile Brennstoffe hinweisen. Die auf dem Schutzglas herab rinnende zähe schwarze Flüssigkeit – sie bestand tatsächlich aus Wasser und Mehl gemischt mit Lebensmittelfarbe – gemahnt ästhetisch frappant an die Übermalungen Arnulf Rainers und die Schüttbilder Hermann Nitschs. Schon die Techniken dieser mittlerweile verstorbenen Aufreger der österreichischen Nachkriegskunst brachten die lokale Bevölkerung in Wallung und genau dieser Nerv wird punktgenau erneut getroffen.

Von Nichtkunst und Nichtverbrechen

Weshalb also erklären die Aktivist*innen ihre Aktionen nicht zu Kunst? Und warum sind die bildenden Künstler*innen in der Klimadebatte eigentlich vergleichsweise leise? Spielt Kunst im gesellschaftlichen Diskurs noch eine originäre Rolle? Das ist eine Frage, die man sich in diesem Zusammenhang vielleicht auch noch stellen sollte. Gesellschaftliches Aufsehen – im Sinne eines medialen und breitenwirksamen Nachrichtenwerts über den Kreis Kunstinteressierter hinaus – erregten zuletzt die Selbstzerschredderung von Banskys Werk „Girl with Balloon“ bei einer Sotheby’s Auktion im Jahr 2018 oder seine Werke, die kürzlich auf zerstörten Gebäuden in der Ukraine aufgetaucht sind.

Aus kühler juristischer Sicht sind die Schütt- und Klebeaktionen jedenfalls kein Schwerverbrechen. Aus London und Amsterdam liegen bereits Urteile gegen Klima-Kleber*innen vor. Diese liegen bei ein bis zwei Monaten Freiheitsstrafe – bei Ersttätern teilbedingt oder als Hausarrest. Der Ruf nach schwereren Strafen im Rahmen populistischer Anlassgesetzgebung zeigt vor allem, wie sehr der symbolische Kern getroffen wird.

Vom Schock zur Resilienz

Es gibt noch Leidtragende, die noch zu wenig thematisiert wurden: Die Museumsleute selbst. Der Angriff auf die Objekte, denen sie ihr berufliches Leben und ganzes Herzblut widmen, ist auch ein Angriff auf Museumsschaffende. Der mentale Angriff auf diejenigen, die die Integrität der Kunst verantworten, ist eigentlich noch schwerwiegender, als die Aktionen, die dauerhaften physischen Schaden zwar in Kauf nehmen, aber ihn doch so gut wie möglich zu verhindern trachten. Dazu kommt ein neues Misstrauen den Besuchenden gegenüber, das geeignet ist, ein Jahrzehnt der Öffnung zunichte zu machen

Wie können Museumsmacher*innen damit resilient umgehen? Wie es verarbeiten? Ist es mit verschärften Sicherheitskonzepten und Notfallprozessen getan? Mit der Hoffnung, dass bald andere Formen des Protestes kommen? Mit dem Hinweis, dass die Museen doch ohnehin auf Seiten des Klimaschutzes stehen, die Beleuchtung auf LED umstellen und nur mehr absolut notwendige Dienstreisen machen? Wohl kaum. Weil schon die Hinterfragung des massiven Sponsorings des Öl- und Gaskonzerns OMV im Wiener Fall beim Direktor des Leopoldmuseums, noch vielmehr aber bei der Generaldirektorin des benachbarten Kunsthistorischen Museums massive Abwehrreaktionen auslöste. Dass sich Direktor Peter Wipplinger in der Wiener Stadtzeitung Falter der Diskussion mit einem Aktivisten stellte, ist ein mutiger Schritt, auch wenn er nur eine verhärtete Konfrontation dokumentierte. Wie wird nun ein echter Dialog und vor allem wie der dringend notwendige Gesellschaftswandel möglich?

Was ist konkret zu tun?

Die Agenda der Öffnung mit Handlungen trotz allem vorantreiben, brennende Probleme angehen und zwar nicht nur in technischer Hinsicht, sondern in Inhalt und Haltung. Das Museum muss als Vorbild zu einem glaubwürdigen Sprachrohr der gesellschaftlichen Probleme werden. Was bedeutet Vorbild sein? Wie definiert ein Museum seine Werte? Wie lässt es sich an Werten messen? Was ist der sinnvolle Beitrag zu einer lebenswerten Zukunft von Museen?

Das Museum muss schließlich aktiv Stellung beziehen und dies auch mit der Wahl seiner Kooperationspartner*innen zum Ausdruck bringen. Transformation bedeutet, sich von liebgewonnen Gewohnheiten zu verabschieden und dazu gehört auch eine Art des Sponsoring, das der Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss immer wieder als toxisch anprangert. Apropos: Wo bleibt eigentlich der Code of Conduct für das Sponsoring, der von der österreichischen Kulturpolitik für Herbst 2022 in Aussicht gestellt wurde?

Es ist für die Breite der Gesellschaft immer noch unvorstellbar, dass wir mit dem Klimawandel unumkehrbare globale Folgen zu verantworten haben. Wir sollten die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben so schützen, wie wir die Kunst schützen. Wir sollten sie wie ein pflegens-, betrachtens- und erhaltungswertes Objekt behandeln.

Dafür wachzurütteln, das ist der Hilferuf der letzten Generation. Konkrete Vorschläge und Handlungen, wie das wirksam gelingen kann, fehlen jedenfalls in den meisten Museen – im eigenen Handeln, in den Themen, in den Positionierungen. Diese wird es brauchen, um hier aktiv ins Gespräch zu kommen.

Bild: AP